Toilettenpapier statt Feuerwerk? Ein besonders herausforderndes Jahr einfach mal loslassen, um wieder neu durchstarten zu können? Dazu präsentiere ich Ihnen gerne ein Loslass-Ritual, für das man eigentlich statt einem Stock oder einer Rakete genauso gut Toilettenpapier nutzen kann. Und Michaelas persönliches Jahreswechsel-Ritual gibt’s auch noch dazu. Na, neugierig, verwirrt oder wedernoch?
Die Löschtaste drücken
„Wie man die schlechten Erinnerungen löscht, wollen Sie wissen?
Es war in Thailand vor vielen Jahren, als Ajahn Chah eines Tages von seinem allmorgendlichen Almosengang zurückkehrte, am Wegesrand einen Stock aufhob und fragte: „Wie schwer ist dieser Stock?“ Bevor noch irgendjemand antworten konnte, warf Ajahn Chah den Stock in die Büsche und sagte: „Schwer ist ein Stock nur, solange ihr ihn festhaltet. Sobald ihr ihn wegwerft, ist sein Gewicht dahin.“
Auf der Basis dieses Gedankens habe ich meinen Schülern vorgeschlagen, die folgende „Stockzeremonie“ durchzuführen. Dafür schreiben Sie so viele schlechte Erinnerungen auf ein Stück Papier, wie Ihnen einfallen. Dann suchen Sie sich einen Stock, wickeln das Papier um eines seiner Enden und befestigen es mit einem Gummi oder etwas Klebeband. Begeben Sie sich dann an ein einsames Plätzchen im Wald, halten Sie den Stock in der Hand und meditieren Sie über das Gewicht all jener schlechten Erinnerungen. Sobald Sie bereit sind, schleudern Sie den Stock mit voller Kraft so weit von sich fort, wie es irgend geht.
Um schlechte Erinnerungen loslassen zu können, müssen Sie sie zunächst einmal als solche erkennen. Sie sich wirklich ins Gedächtnis zurückrufen. Das ist auch der Grund, warum sie aufgeschrieben werden müssen. Anschließend braucht es eine körperliche Handlung beziehungsweise Zeremonie, um dem Loslassen mehr Kraft zu verleihen. Nur zu denken „Ich lasse das jetzt alles los“ funktioniert nicht. Das Umwickeln des Stocks mit dem Papier, das Aufsuchen des Waldes mit dem Ziel, all das schlechte Zeug loszuwerden, das Gewicht des Stocks in der Hand und dann der Moment, in dem Sie ihn von sich schleudern – alle diese Schritte dienen dazu, Ihre Absicht zu verstärken und sie mit Bedeutung zu versehen. Und das funktioniert. Wirklich. So drücken Sie die Löschtaste.Aus Brahms, Ajahn (2015). Der Elefant, der das Glück vergaß. München: Lotos Verlag.
Allerdings gab es Beschwerden. Es hieß, ich sei dafür verantwortlich dass der Wald verschmutzt würde. Also veränderte ich das Prozedere wie folgt: Wie zuvor schreiben Sie alle Ihre schlechten Erinnerungen auf ein Blatt Papier. Denn bevor sie gelöscht werden können, müssen sie erst noch einmal an die Oberfläche kommen. Aber diesmal nehmen Sie ein besonderes Papier, und zwar eines, das für mistige Erinnerungen besser geignet ist als alles andere: Sie schreiben auf Toilettenpapier. Sobald Sie mit Schreiben fertig sind, nehmen Sie das Papier mit ins Bad und werfen die beschriebenen Blätter in die Kloschüssel, denn da gehören sie auch hin. Abschließend betätigen Sie die Spülung!“
Ausgekramt: Silvester 2012
So sah mein persönliches Loslass-Ritual nach meinem Krebsjahr aus. Und das hat echt funktioniert! Selbst nach inzwischen acht Jahren kann ich mich noch gut an das erleichternde, beflügelnde Gefühl erinnern.
In den Folgejahren habe ich im Rahmen meines Jahreswechsel-Rituals stets drei Zettel per Rakete in die Luft gejagt – und zwar mit Stichpunkten zu folgenden Fragen:
- Rückblick negativ: Was lief nicht so gut in diesem Jahr? Was lerne ich daraus und welche Erinnerungen und Gefühle will ich bewusst loslassen?
- Rückblick positiv: Worüber habe ich mich in diesem Jahr besonders gefreut? Welche Erfolge kann ich feiern? Was waren echte Sternstunden?
- Ausblick & Vorfreude: Was wünsche ich mir für das neue Jahr? Was will ich konkret angehen? Worauf freue ich mich schon?
Für dieses Jahr werde ich mir noch eine geeignete Raketen-Alternative aussuchen. Es sind ja noch ein paar Tage. Mal sehen – vielleicht greife ich zumindest für den ersten Zettel ja tatsächlich auf Ajahn Brahms wertvollen Toilettenpapier-Vorschlag zurück. Wie passend für 2020.
Mehr oder weniger Wichtiges
Veröffentlicht am: 20. Dezember 2020 | RITTERCOACHING Rüstkammer
Widmung: Diesen Beitrag widme ich – verbunden mit den besten Wünschen – denjenigen besonderen Menschen, die ich in diesem Jahr in einer schwierigen Lebensphase begleiten durfte.
Autoreninfo: Michaela Ritter ist Diplom-Betriebswirtin (BA) und Professional Coach (DBVC). Sie hat über zehn Jahre in den Bereichen Vertrieb, Verwaltung und Personal als Leitende Angestellte und Prokuristin bei Lidl gearbeitet und war zwei Jahre im strategischen HR-Projektmanagement beim IT-Dienstleister Materna tätig. Seit 2015 begleitet sie mit RITTERCOACHING insbesondere Führungskräfte durch Einzel-Coachings, Team-Coachings und Workshops.
Quellenangaben: Brahms, Ajahn (2015). Der Elefant, der das Glück vergaß. München: Lotos Verlag. | Bilder Silvester 2012 aus: Ritter, Michaela (2012-2017). Ein Glückspilzchen geht auf Reisen… Eine kleine Geschichte von Optimismus, Lebensfreude und zahlreichen Glücksfällen. Zum Mutmachen. Nicht nur für Krebspatienten. Wuppertal: Glückspilz-Krebshilfe.
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Bildnachweis: RITTERCOACHING