Das Spannungsfeld zwischen Verantwortungsbewusstsein und Schuldgefühl begegnet Michaela sowohl im eigenen Erleben als auch im Rahmen von Business Coachings und Begleitungen in persönlichen Krisen. Daher hat sie mal genauer hingehört und hatte das Glück, ein ent-scheidendes Gespräch mitschneiden zu können!
Hörbar in 6 Minuten oder selbst lesbar.
In den Hauptrollen:
| das Verantwortungsbewusstsein
| das Schuldgefühl
| der Zeitmanager
In den Nebenrollen:
| der Richter
| die Angst
Wozu sind Schuldgefühle eigentlich gut, wenn sie zu nichts gut sind? Und welche Rolle spielt dabei das Zeitmanagement?
Hörbare Variante | 6 Min
Lesbare Variante
„Ich will die Scheidung!“, sagt das Verantwortungsbewusstsein zu seinem Schuldgefühl.
„Na, endlich!“, erwidert das Schuldgefühl. „Ich wollte schon längst weg. Ich hab nie verstanden, warum du so an mir festhältst. Ich mache in deiner Vergangenheitsbetrachtung doch überhaupt keinen Sinn. Und für was du dich immer alles verantwortlich und schuldig fühlst. Kaum auszuhalten! Viel wohler fühle ich mich in meiner Zukunftsrolle!“
„Was soll denn bitteschön die Rolle des Schuldgefühls in der Zukunft sein?“, fragt der zufällig mithörende Zeitmanager.
Schuldgefühl: „Ich sehe meine Aufgabe lediglich darin, in der Gegenwart die Weichen für „richtiges“ Handeln in der Zukunft zu stellen. Die Aussicht auf mich führt nämlich dazu, sich verantwortungsvoll zu verhalten. Mit anderen Worten: Ich bin Teil einer nicht wünschenswerten Zukunft. Meine Abwesenheit ist eine (von vielen weiteren Arten der) Belohnung für verantwortungsvolles Verhalten.“
„Ah!“, überlegt der Zeitmanager. „Das heißt also im Gegenzug, deine Anwesenheit ist die Bestrafung für nicht verantwortungsvolles Verhalten?“
„Nein, eher die Bestrafung dafür, meinen Zweck nicht verstanden zu haben.“ korrigiert das Schuldgefühl. „In der Vergangenheitsbetrachtung bin ich lähmend und raube unnötig Energie. Dadurch blockiere ich den Heilungsprozess von was auch immer gerade aktiv oder passiv kaputt gegangen ist. Bitte glaube mir – du tust dir gar nicht gut, wenn du dich zu ausgiebig mit mir beschäftigst. Lass mich einfach gehen!“ wendet sich das Schuldgefühl wieder an seinen Partner, das Verantwortungsbewusstsein.
„Ja, ich will ja die Scheidung, aber ich brauch dich doch irgendwie auch so sehr! Du gehörst zu mir! Du gibst mir auch das Gefühl, wichtig zu sein. Irgendwie fühle ich mich mit dir automatisch größer.“, erwidert das Verantwortungsbewusstsein.
„Echt jetzt?“ fragt das Schuldgefühl. „Wozu genau brauchst du mich denn dabei? Und wann bin ich dir nützlich?“
Das Verantwortungsbewusstsein schweigt.
Das fällt ihm nicht leicht, denn es hat normalerweise auf alles eine Antwort (it’s response-able). Doch das Verantwortungsbewusstsein will natürlich auch nicht voreilig etwas Falsches sagen – aus Angst vor einer schuldgefühlbeladenen nicht wünschenswerten Zukunft. Paradox. Aber in dieser Rolle scheint das Schuldgefühl für einen Moment ja echt ganz wirksam zu sein.
„In der Gegenwart über die Zukunft nachdenkend. Hier brauche ich dich.“, antwortet das Verantwortungsbewusstsein schließlich.
Denn es hat ja doch immer eine Antwort 😉 „Und wenn ich mal keine Antwort im Sinne von „Erklärung der Vergangenheit“ habe, brauche ich nicht unnötig nach Schuld(igen) suchen. Es gibt Dinge, die liegen außerhalb meiner Macht. Außerhalb meines Verantwortungsbereichs. Die meisten sogar. Und wenn mir so manche Tragödie (wie auch immer verursacht) auch nicht gefallen mag, so wird sie doch nicht leichter, wenn ich sie, mit dir, meinem Freund Schuldgefühl, teile.„
Zeitmanager: „Ich sehe hier einige Parallelen zwischen dir, Schuldgefühl, und der Angst. Ihr beide könnt – im rechten Maß zur rechten Zeit – durchaus hilfreich sein im Sinne von schützend/vorbeugend, jedoch belastend bei der Betrachtung der Vergangenheit: Ich habe Angst, dass ich letzte Woche einen Fehler begangen habe (ungewiss). Ich fühle mich schuldig, dass ich einen Fehler begangen habe (subjektiv-gewiss). Beides nicht gerade ressourcenaktivierend.“
„Ja, es ist Zeit für die Trennung.“, fährt der Zeitmanager daher verständnisvoll fort. „Ich sehe, wie wichtig ihr füreinander wart. Und ich kann mir gut vorstellen, wie ihr beide über viele Jahre aneinander, durcheinander, miteinander gewachsen seid. Nun aber lasst die Vergangenheit ruhen, lebt die Gegenwart und stellt die Weichen für eine verantwortungsvolle Zukunft. Jeden Tag, jeden Moment wieder aufs Neue.“
Und was sagt der Richter, den bisher noch keiner nach seinem Urteil gefragt hat? „Nicht schuldig! Kraft meines Amtes erkläre ich euch hiermit zu rechtmäßig geschiedenen Gefühlen.“
„Gut. Irgendwie leicht.“, fühlt das Verantwortungsbewusstsein.
Mit einem zufriedenen „Endlich glücklich geschieden!“ verlässt das Schuldgefühl entspannt den Raum.
Und der Zeitmanager freut sich:
„Alles zur rechten Zeit!“
Mehr oder weniger Wichtiges
Veröffentlicht am: 13. Dezember 2020 | RITTERCOACHING Rüstkammer
Ersterscheinung am: 23. September 2020 | LinkedIn
Autoreninfo: Michaela Ritter ist Diplom-Betriebswirtin (BA) und Professional Coach (DBVC). Sie hat über zehn Jahre in den Bereichen Vertrieb, Verwaltung und Personal als Leitende Angestellte und Prokuristin bei Lidl gearbeitet und war zwei Jahre im strategischen HR-Projektmanagement beim IT-Dienstleister Materna tätig. Seit 2015 begleitet sie mit RITTERCOACHING insbesondere Führungskräfte durch Einzel-Coachings, Team-Coachings und Workshops.
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Bildnachweis: RITTERCOACHING | Plant for the Planet